Die Lautlose Suche

schalli 

  Lyrik 

Giuliano (Hommage an die Nacht)

In Schönheit deiner Jugend sitzt
du stolz auf ewig, regungslos
Zu Füßen dir die Nacht, der Tag
so nah, doch immer unerreicht.

Den Blick zur Seite abgewandt
zum Tage hin, doch siehst ihn nicht
und unbeachtet deiner Augen
da liegt der Nacht ew'ges Gesicht.

In jugendlicher Anmut gleich
den Blick gesenkt sitzt du und ruhst
kontemplativ, entspannt und doch
des Körpers Kraft gewiss, bewusst.

Giuliano könntest du doch sehen
wie nahe dir liegt dieser Quell
des immerforten Wechselspiels
von dunkler Nacht und Tag so hell.

Kannst nie dich an der Nacht erquicken
an ihrer festen Brust dich laben
und mit der Kraft des neuen Tages
dich selbst auf starken Muskeln tragen.

Du brauchst es nicht dies Auf und Ab
bist diesem Rhythmus längst entronnen
hast hier durch schaffend Künstler Hand
ein Stück Unsterblichkeit gewonnen.

Andächtig, sprachlos steh ich hier
was mir nur bleibt ist dich zu grüßen
und mich verneigen vor dem Tag
und vor der Nacht zu deinen Füßen.

Oh wunderbare ew'ge Frau
du bist's die meine Blicke bindet
dein Körper gleitet durch die Zeiten
dein Bild durch meinen Traum sich windet.

9. September 97
Florenz, Capella Medici
Grabmal des Giuliano, Nacht und Tag von Michelangelo

 Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist