Von KAVALA nach CAVALLINO...(...von Philippi nach
Olympia...)
Ein Reisetagebuch
Sonntag, 7. August
Gestern sind wir hier in KAVALA dem Haupthafen von
Ostmakedonien an der griechischen Küste angekommen. Nach der turbulenten und
anstrengenden 36-Stunden-Fahrt durch Deutschland, Österreich, Jugoslawien und
Griechenland war die erste Nacht auf dem Campingplatz IRINI das richtige
Balsam für uns und unsere Nerven.
Nach der Panne mit der Passverlängerung kam die Sache
mit der, von mir vergessenen, Versicherungskarte und die bedrückende
unfreundliche Fahrt durch Jugoslawien noch als Tropfen dazu, die unser
Stimmungsgefäß gleich am Urlaubsanfang zum Überlaufen zu bringen drohten.
Nun sitze ich hier am Sandstrand und blicke auf’s
Meer. Auf den ersten Blick sieht sie auch nicht anders aus die griechische
See, als die italienische. Dunkelblau mit kurzen Wellen und ein Wind, der nach
den paar Wolken des Vormittags nun auch den Sand wegblasen will und der den
Meeresgrund aufwühlt und das Wasser undurchschaubar werden läßt.
Linkerhand ist der Strand begrenzt durch eine
Felsklippe. Es ist ein schöner Blick auf die zerklüfteten Steine und wenn
man über sie drüberklettert, so blickt man bereits in die nächste Bucht,
steinig und menschenleer.
Ich lasse mir den Seewind um die Nase wehen, genieße
dessen erfrischende Wirkung von der drückenden Sonne und lese einige
Schriften von Hermann Hesse, mein erster zaghafter Versuch, meinen blockierten
und abgestumpften Geist mit einem Gedanken zu füttern.
Nach zwei Seiten höre ich auf zu lesen, habe soviel
Gehalt und Hintergrund geschluckt, daß ich die Gedanken langsam verdauen muß.
Ich schaue auf. Neben mir im Sand, der etwas schwerer und grobkörniger als in
Italien ist, liegt Joe und liest Bukowski, daneben Thomsen mit der
ADAC-Zeitschrift.
Mein Blick geht weiter über die kleine Camping-Bucht
bis zur imposanten Kulisse von KAVALA, welches sich rechts von mir ruhig und
fast verträumt (immerhin ist es eine 60.000 Einwohnerstadt) präsentiert. So
als ob sie vom Himmel ausgeschüttet wurden liegen die kleinen Häuser dicht
an dicht am Ufer und ziehen sich bis hinauf auf die Hügel, die sich direkt
aus dem Meer erheben. Bei Nacht ergibt das einen beeindruckenden Anblick über
die Bucht auf tausend kleine Lichter, die sich vom Himmel bis ins Wasser
hinziehen.
Es ist historischer Boden, auf dem wir da sitzen, der
Ort, an dem der Apostel Paulus erstmals europäischen Boden betreten hat, im
Zuge seiner zweiten Missionsreise im Jahre 50-51. Im 15 km entfernten PHILIPPI
gründete er die erste christliche Gemeinde Europas.
Bekannter ist dieser Ort aber wohl durch die Schlacht
im Jahre 42 v. Chr., in der Oktavian (der spätere Augustus) und Antonius die
beiden Caesarmörder Brutus und Cassius schlugen, deren Flottenstützpunkt
KAVALA war.
Montag, 8. August
Wir haben uns heute morgen die Anlagen und Überreste
von PHILIPPI angesehen. Obwohl es für mich das erste Mal war, antike Bauwerke
in Wirklichkeit zu sehen und obwohl ich um die Geschichte dieses Ortes wusste,
konnte ich mich nicht richtig in die Aura dieser Stätte einfühlen.
Es ist sehr heiß, ich sitze im Schatten und lese
Hermann Hesse. Langsam scheint sich mein Geist zu beruhigen und die gemütliche
und behäbige griechische Lebensweise setzt sich in mir, wohl auch aufgrund
des heißen Wetters, fest.
Dienstag, 9. August
Die Hitze und das Nichtstun macht uns fertig. Joe hat
schon seit dem Morgen mit Übelkeit und Durchfall (ja es ist wohl
Montezuma’s Rache) zu kämpfen. Thomsen hat sich den Fuß beim Schwimmen
aufgeschnitten. Die Zeit will und will nicht vergehen. Endlich sinkt die
Sonne, bringt kühlende Erleichterung und Schatten. Hoffentlich kommt morgen
Danny’s Brief, damit wir abhauen können.
Mittwoch, 10. August
Wie absurd ist doch unsere Lage. Flüchtig vor allen
Zwängen, flüchtig vor allen Zeitpflichten, flüchtig vor allen Reglements
und Engstirnigkeiten unseres täglichen Lebens, auf der Suche nach Ruhe, nach
Klarheit, sitzen wir und zerkauen mühsam Tag für Tag, zerreißen Stunde um
Stunde, verbringen Zeit, um auf ein Stück Papier zu warten, welches uns die
Enge unserer zivilisierten Welt nur zu deutlich vor Augen führt.
Joe ist wieder gesund. Wir haben uns entschlossen,
ISTANBUL vorläufig von der Reiseroute zu streichen. Wenn das Papier heute
kommt, fahren wir morgen direkt nach CANAKKALE - TROJA und dann weiter nach
Bodrum. Bleibt uns die Zeit, so versuchen wir, auf dem Rückweg nach ISTANBUL
zu fahren.
Donnerstag, 11. August
Das Papier ist gestern Mittag gekommen und so sind wir
heute pünktlich um 7:45 Uhr von Kavala abgefahren. Die Fahrt und auch der
Grenzübergang in die Türkei verliefen problemlos, so daß wir uns spontan
dafür entschieden haben, doch nach ISTANBUL zu fahren. Mir gefällt das Klima
und die Atmosphäre hier in der Türkei sehr gut und ich fühle mich echt
wohl.
Um 15:45 Uhr sind wir hier am Campingplatz Yesilyurt
kurz vor ISTANBUL direkt am Bosborus angekommen. Vor uns am Horizont sehen wir
links die Stadt und über das Wasser kann man Asien schauen. Ein besonderes
Gefühl, wenn man weiß, daß man hier am Ende von Europa sitzt und morgen über
eine Brücke einen anderen Erdteil betreten wird.
Wegen der Zeitnot durch unseren Zwangsaufenthalt
wollen wir nur Morgen ISTANBUL anschauen und dann sofort weiter Richtung
BODRUM fahren.
Freitag, 12. August
Wir sind heute mit dem Linienbus nach ISTANBUL
gefahren. Es ist sehr schwer, eine Beschreibung dieser Riesenstadt zu geben,
so vielschichtig und verschieden sind die Eindrücke. Die herrlichen Paläste
und Moscheen aus 1001 Nacht, vom Tourismus überschwemmt und vergewaltigt, auf
der einen Seite und zum Teil erschreckende Armut auf der anderen Seite.
Menschen, alt und ausgelaugt, schleppen schwere Lasten, verkaufen ihre
Muskelkraft um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Ihre Gesichter sprechen
mehr, als jeder Reiseführer jemals vermitteln kann, und fast komme ich mir
schäbig vor, als gutgekleideter Tourist, der wahrscheinlich mehr Geld in der
Tasche hat, als solch ein Träger in drei Monaten verdient.
Die Kinder wachsen mit dieser Situation auf und haben
gelernt, damit umzugehen. Ob es nun Schuhputzer, Wasserverkäufer oder
Postkarten- und Flötenhändler sind, in manchen Fällen benötigt man viel
Sprachgewandheit, um sie abzuwimmeln.
Sie gefällt mir trotzdem diese Stadt, ich hab den
ganzen Tag für insgesamt 4.- DM gegessen und getrunken und bin für -.80 Pf
von Yesilyurt nach ISTANBUL und wieder zurück gefahren. Das sind einfach
immerhin 15 km.
Samstag, 13. August
Wir brechen morgens um 9:15 Uhr vom Campingplatz in
Richtung Bosborus -> Asien auf. Nach ungefähr 30 min Fahrzeit durch
ISTANBUL erreichen wir das Brückenmonument, welches gewaltig und imposant
Europa mit Asien verbindet. Von einer leichten Anhöhe herunter fahren wir auf
die Brücke, verlassen zum ersten Mal Europa. Rechts unterhalb windet sich der
Bosborus wie ein blaues Band zwischen den Landmassen, trennt die Kontinente,
die Kulturen und die Stadt, deren einzigartige Lage ihr sowohl zum Vorteil als
auch zum Nachteil gereichten.
Byzanz, Konstantinopel, Istanbul, Brücke zum Orient,
Nadelöhr zwischen den Meeren, einst wohlhabend und mächtig, erobert,
gebrandschatzt, geplündert und trotzdem noch schön.
Auf Wiedersehen, Güle Güle Istanbul, ich denke, wir
werden uns noch einmal sehen.
Die Fahrt durch Asien wird zur Tortur. 600 km in
sengender Hitze. Unser Bus fährt wie der Teufel, zieht seine Bahn durch ein
Land, das so schön ist, daß ich es nicht beschreiben kann. Herrliche
Landschaften, eine Mischung aus Karl May und 1001 Nacht, doch uns bleibt keine
Zeit, um zu schauen. Wir halten nur kurz um zu Tanken und um etwas zu Essen.
Ein Gericht mit Nachtisch, Brot und Getränken kostet 11.- DM, zu dritt
wohlgemerkt!! Die Leute sind sehr zuvorkommend und freundlich.
Nach 11 Std haben wir’s endlich geschafft, wir haben
IZMIR an der ägäischen Küste erreicht. Wir fallen tot ins Bett, auf einem
Campingplatz, der gerade zum Übernachten gut genug ist.
Sonntag, 14. August
In aller Frühe geht’s weiter nach MILAS, der früheren
Haupstadt des unabhängigen Königreiches Karien (Mylasa). Wir haben uns auf
der Fahrt entschlossen, BODRUM nicht anzufahren, da es mittlerweile zur
touristischen Hochburg degeneriert ist und von der uns wichtigen Sehenswürdigkeit,
dem Grabmal des Mausolos von Halikarnassos, nicht mehr viel zu sehen ist.
Somit ist Milas der südlichste Punkt unseres Türkeiaufenthalts. Wir
besichtigen das Mausoleum Gümüskesen, ein Grabmal aus dem 2. Jahrhundert
welches eine verkleinerte Kopie des Vorbildes aus Halikarnassos ist. Etwa 14
km von Milas auf einem Berg liegt das Zeus-Heiligtum von Labranda, einer
antiken Kult- und Wohnstätte der karischen Könige Mausolos und Idrieus. Die
gut befahrbare Bergstraße ( so der Reiseführer) entpuppt sich nach 6 km als
holprige Schotter- und Steinpiste, so daß wir etwa 30 min im Schrittempo in
der glühenden Hitze fahren müssen. Oben angekommen treffen wir auf eine
Gruppe türkischer Arbeiter, die uns freundlich begrüßen und uns Quellwasser
zum Trinken geben. Den darauffolgenden Aufstieg zum Heiligtum und die etwas
improvisierte Führung durch einen türkischen Bauern nehme ich fast wie in
Trance wahr, so fertig bin ich von der Hitze. Die Sicht von oben ins Tal ist
unbeschreiblich, sie gibt dieser Anlage einen weihevollen und heiligen
Charakter. Nach der ebenso mühevollen Abfahrt schauen wir uns noch den
Zeus-Tempel von EUROMOS an. Er liegt zwischen Bäumen sehr romantisch gleich
neben der Straße.
Die folgende Fahrt zum BAFA-SEE verbringe ich fast
ohnmächtig im Wohnraum des Busses. Ich bin kurz vor’m Hitzeschlag.
Montag, 15. August
Wir erholen uns heute von den beiden letzten Tagen und
werden erst Morgen weiter nach KUSADASI (SELCUK) fahren.
Dienstag, 16. August
Auf unserem Weg nach KUSDADASI besichtigen wir drei
wichtige und berühmte Sehenswürdigkeiten: Das Apollo-Heiligtum von DIDYMA.
Es bildete mit DELPHI und Klaros die wichtigsten Orakelstätten der Antike.
Der Tempel des Apoll, in welchem sich das Orakel befand, war der größte der
antiken Tempel des griechischen Reiches( 118 x 60 m). Er war neben dem
Artemis-Tempel in EPHESUS (einem der Weltwunder) der bedeutendste religiöse
Ort seiner Zeit. Heute ist zwar der doppelte umgebende Säulenring (Dipteros!)
bis auf drei Säulen von Erdbeben zerstört (ursprünglich 128 Säulen), aber
dennoch stellt er sich dem Besucher als imposantes, gewaltiges Bauwerk dar,
dessen Heiligkeit irgendwie zu spüren ist.
Auch von der einstmals mächtigsten Stadt Ioniens,
MILET, sind noch gut erhaltene Überreste vorhanden. Besonders das antike
Theater, dieser ehemaligen Metropole des Mäandertales, ist sehenswert.
Die ungünstige Verteilung der Campingplätze in
diesem Landstrich machte es für uns notwendig, an diesem Tag auch noch eine
dritte antike Stätte zu besichtigen, PRIENE. Im Zustand völliger Erschöpfung
durch die unbarmherzige Hitze, haben wir diese Stadt im Schnelldurchlauf
besucht und nur den Tempel der Athene und das Theater begutachtet.
Ein bißchen schade ist es schon, daß auf diese Weise
einige der Kunstwerke nur so abgehakt werden. Aber die Hitze und unser
dichtgepacktes Programm lassen uns kaum eine andere Wahl.
Gelandet sind wir nun in KUSADASI, einem Ort, der
anscheinend eine touristische Hochburg ist: Horrende Preise, viele Leute. So
werden wir unseren Aufenthalt auf eine Nacht beschränken und dann Morgen
weiterfahren.
Mittwoch, 17. August
Wir haben am Vorabend Chris und Anja aus München
kennengelernt und uns entschlossen, diesem Tag gemeinsam faul am Strand zu
verbringen.
Donnerstag, 18. August
EPHESUS ! Vorletzte Station unserer türkischen
Antiktour. So viele wichtige Orte und Schauplätze in dieser Stadt, daß man
kaum herumkommt. Der Zustand der Bauwerke ist nach verschiedenen
Restaurationsmaßnahmen zum Teil recht gut, so die Celsus-Bibliothek und das
antike Theater. Unverständlich für mich ist allerdings, daß fehlende Steine
oder Stufen alter Tempel oder Gebäude mit Beton ausgegossen werden. Das
stellt sich mir als entarteter Anblick dar, der touristische Hintergründe
hat, zumal uns nach ca. 1 Stunde die Reisegruppen fast erdrücken und der
Parkplatz übersät ist mit "Lacoste-Händlern" und Souvenirläden.
Der Artemis-Tempel, eines der sieben Weltwunder, ist
nur mehr ein Haufen wirrer Trümmer und ich kann mir die einstmals besondere
Aura dieses Ortes nicht vorstellen. Wie schade !
Unsere Tour endet mit der Besichtigung der
Johannes-Basilika. Der Sage nach soll der Evangelist Johannes lange Jahre, bis
zu seinem Tod, hier gelebt haben. In der Basilika befindet sich auch das
Grabmal. Es ist allerdings nicht erwiesen, ob dort nun wirklich der Apostel
Johannes beigesetzt ist, oder ein anderer Johannes, welcher ungefähr 200
Jahre später hier gelebt hat.
Erst auf der Weiterfahrt habe ich im Reiseführer
entdeckt, daß auch das Haus der Jungfrau Maria, ein christlicher
Wallfahrtsort, in EPHESUS zu sehen ist. Es gibt einige Anhaltspunkte dafür,
daß sie die letzten Jahre ihres Lebens hier verbracht hat und vielleicht auch
hier begraben ist. Leider haben wir diese Stätte verpasst.
Wir erreichen um 16:30 Uhr einen schönen ruhigen
Campingplatz bei ÖREN (BURHANIYE) und werden hier vier Tage bleiben.
Freitag 19. August - Sonntag 21. August
Wir erholen uns am Strand von ÖREN.
Montag, 22. August
Fahrt nach ASSOS ! Etwa 20 km von der Hauptstraße
weg, über eine holprige, schmale Serpentinenpiste, liegt ASSOS direkt am
Meer. Wir steigen auf die Akropolis über dem Dorf BEHRAM-KALE, zu den Überresten
eines Athene-Tempels. Obwohl von diesem nicht mehr viel zu sehen ist, ist es für
mich ein grandioses Erlebnis.
Der Blick von oben auf’s Meer und auf die Insel
LESBOS. Mir wird im gleichen Augenblick klar, daß man keinen besseren Ort für
einen Tempel finden könnte. Ein leichter Dunst liegt über dem Meer und gibt
der ganzen Situation eine weihevolle Atmosphäre, die nur von den paar lärmenden
Touristen um uns gestört wird.
Zweite Station an diesem Tag ist TROJA, die sagenhafte
Stadt der Homer’schen Ilias, von Heinrich Schliemann entdeckt und
ausgegraben. Der Nachbau des trojanischen Pferdes ist teils originell und
teils kitschig. TROJA selber, welches in 14 verschiedene Besiedlungsschichten
aufgeteilt ist, zeigt sich uns als Haufen von Mauern und Trümmern. Eine gute
Atmosphäre zwar, doch angesichts der Hitze setzen wir unsere Fahrt bald
Richtung CANAKKALE fort.
Dienstag, 23. August
Wir haben heute auf dem kleinen Campingplatz
"Dardanel" kurz vor CANAKKALE übernachtet. In aller Frühe um 6:50
Uhr gings dann zur Fähre und wieder zurück auf’s europäische Festland.
Wir fahren durch die Hitze bis zum Abend und erreichen schließlich
THESSALONIKI, unsere Zwischenstation.
Mittwoch, 24. August
Wir fahren weiter ins Landesinnere, durch das
TEMPE-TAL bis zur Ortschaft KALAMBAKA, am Fuße der METEORA-KLÖSTER. Am
Nachmittag muß Joe wieder einmal der Hitze Tribut zollen, ihm ist schlecht
und er bekommt Fieber.
Donnerstag, 25. August
Joe ist immer noch schwach auf der Brust und so gehe
ich mit Thomsen allein auf Besichtigungstour, während er im Bus schläft.
Wir sind beeindruckt von der einmaligen Kulisse, die
sich uns bietet. So als ob sie jemand einfach hingesteckt hätte, erheben sich
die Meteora-Felsen plötzlich und aprupt aus der Ebene, fremd und eigenartig
stehen sie in der Landschaft und unterscheiden sich von dieser, so wie sich
das Leben in ihren Klöstern von der Welt unterscheidet. Die Fahrt nach oben
geht direkt in den Himmel. Wir erleben ein Naturereignis, welches kaum in
Worte zu fassen ist. Hier in der (einst) absoluten Stille dieser Berge, wurden
von Menschenhand Orte geschaffen, die gleichsam zwischen Himmel und Erde
schweben, als Verbindungsglied der Menschen zu Gott:
Die METEORA-KLÖSTER !!
Und dieses Bewußtsein, diese Sphäre macht sich in
mir breit, als wir zu dem Kloster Roussanou den steilen Pfad hinaufsteigen.
Sprachlos, tief beeindruckt und zugleich tief bedrückt sind wir angesichts
dieses heiligen Ortes. Beeindruckt von der Umgebung, der Schönheit und der
sakralen Aura des Klosters, bin ich nicht im Stande ein Wort zu sprechen, ja
es gelingt mir nicht einmal, richtig zu beten. Viel zu plötzlich stürmt all
diese Herrlichkeit auf mich ein und ich bräuchte Zeit und mehr Ruhe, diese zu
genießen. Doch auch ein anderer Umstand hindert mich an der Ruhe, die
touristische Vergewaltigung und Entweihung dieser Berge und das bedrückt uns
beide, Thomsen und mich.
Als wir später allein auf den Gipfel eines Berges
steigen, um uns der Aussicht hinzugeben, hören wir in der Ferne Lastwagen und
Reisebusse fahren und den Lärm eines Tieffliegers. Die Welt greift nach der
Heiligkeit und Würde dieses Ortes, wie nach einer reifen Frucht und hält ihn
im Würgegriff, welcher immer enger wird. Es mag auf der ganzen Welt keinen
besseren und geeigneteren Platz für ein Kloster geben, als eben hier:
Inmitten eines Wunders der Schöpfung ebendiese und ihren Schöpfer zu preisen
und ihm in der Ruhe dieser Bergwelt zu dienen.
Der ständig wachsende Andrang von Besuchern (schließlich
sind auch wir welche !) und die zunehmende Vermarktung werden früher oder später
das Ende dieser Oase des Glaubens und des Friedens bedeuten. Wie traurig und
schade !
Wir haben uns beide aus diesen Gründen entschlossen,
kein weiteres Kloster zu besichtigen. So fahren wir weiter und behalten die
Berge und Klöster von METEORA als heiligen Ort in Erinnerung, der uns noch
lange in unseren Gedanken beschäftigen wird.
Unsere Reise geht weiter auf die stille und ruhige
Halbinsel PILION, wo wir ein oder zwei Tage ausspannen werden, um dann nach
DELPHI und ATHEN weiter zu fahren.
Freitag, 26. August
Nach einem gemütlichen Frühstück fahren wir zur
Ostküste des PILION, um den Tag in einer einsamen Bucht zu verbringen. Nach
einer abenteuerlichen Fahrt über endlose Serpentinen und eine nicht-enden-wollende
Schotterstraße erreichen wir die Bucht. Sie ist zwar nicht einsam (5 Autos
stehen bereits da), aber abgelegen und genauso, wie man sich eine griechische
Bucht vorstellt: Klein, von Felsen umrandet, türkisblau, klares Wasser. Wir
schnorcheln den ganzen Tag, oder klettern auf den Felsen herum. Die Abrundung
dieses schönen Urlaubstages bildet das Abendessen in einem abgelegenen
ruhigen Dorf.
Samstag, 27. August
Wir sind gemütlich nach DELPHI gefahren und
verbringen den Tag faul in der Sonne.
Sonntag, 28. August
DELPHI, der Nabel der Welt ! Der Sage nach ist DELPHI
der Ort, an dem sich die beiden Adler, die Zeus vom Ende der Welt aufsteigen
ließ, trafen. Sein Orakel war mit das einflußreichste der Antike, viele
seiner Orakelsprüche sind uns bis heute überliefert, so z.B. der Sieg der
Athener über die Perser bei der Schlacht von SALAMIS. Wie sehr dieser heilige
Ort von den damaligen Völkern und Stämmen geschätzt und verehrt wurde,
zeigt die heilige Straße hinauf zum Tempel des Apollon, der eigenlichen
Orakelstätte. Zu beiden Seiten stehen Schatzhäuser der einzelnen Stämme,
die aus Dank für die Weissagungen reiche Schätze enthielten.
Vom Tempel des Apollon, der auf einer Anhöhe liegt,
hat man einen sehr schönen Blick ins Tal. Wir besichtigen noch die
kastalische (heilige) Quelle und den Tempel der Athene, bevor uns der auch
hier sehr ausgeprägte und entweihende Tourismus wieder vertreibt.
Wir fahren weiter nach ATHEN.
Jürgen’s Zug hat zwei Stunden Verspätung und kommt
erst um 0:30 Uhr an. Durch einen Streik der Taxi-Fahrer gibt es etwas
Probleme, zum Campingplatz zu kommen und zu allem Überfluß vergißt Thomas
seine Tasche mit seinem Autoschlüssel im Taxi. Er ist mit Joe zwar noch
einmal zurückgefahren, hat die Tasche aber nicht mehr auftreiben können. Um
3 Uhr gehen wir alle recht entnervt und kaputt schlafen.
Montag, 29. August
Quer durch ATHEN fahren wir an die Südspitze des
griechischen Festlandes, nach CAP SOUNION. Dort steht der Tempel des Poseidon,
etwa 80 m hoch auf einer Klippe direkt über dem Meer. Es ist ein Blick auf
die griechische See, der sich nicht in Worte fassen läßt. Sicherlich gibt es
keinen besseren oder günstigeren Platz für einen Tempel, der dem Gott des
Meeres geweiht ist. Die Szenerie trifft mich voll und ich genieße diesen
Augenblick in vollen Zügen. Es erscheint mir wie eine gelungene Ovation an
die Schöpfung, der Poseidon-Tempel hoch über dem Meer und ich glaube, es
sind vor allem solche Eindrücke, die diese Reise für mich zu einem unvergeßlichen
Ereignis werden lassen.
Es geht weiter, wieder zurück über PIRÄUS und ATHEN
nach KORINTH. Über die Straße von Korinth erreichen wir den Peloponnes und
machen Station auf einem kleinen Campingplatz hinter der Stadt am Golf von
Korinth.
Dienstag, 30. August
Nachdem wir etwas spät aufgestanden sind, fahren wir
erst morgen weiter. Wir nutzen die Gelegenheit zum Geldwechsel und kaufen
unsere Tickets für die Autofähre nach ANCONA und liegen nun faul am Strand.
Mittwoch, 31. August
Wir schauen uns die Straße von Korinth an, einen 23 m
breiten und 80 m tiefen Kanal, der Ende des 19. Jahrhunderts gegraben wurde,
um eine Seeverbindung zwischen dem Golf von Korinth und dem Saronischen Golf
herzustellen. Seit dieser Zeit ist der Peloponnes eine "Insel".
Weiterfahrt nach EPIDAURUS, dem wohl berühmtesten
Amphitheater mit seiner einzigartigen Akustik. Man hört auf der obersten
Sitzreihe noch, wenn in der Arena eine Münze zu Boden fällt.
So langsam merke ich, wie mir die viele Fahrerei und
die Besichtigungen zuviel werden. Wir haben daher ALT-KORINTH, MYKENE und
NAFPLION von der Route gestrichen und sind etwa 30 km unterhalb von NAFPLION
auf einem ruhigen Campingplatz abgestiegen. Wir werden 2 Tage hier bleiben.
Donnerstag, 1. September
Ich habe heute Nacht am Strand geschlafen. Vor mir die
ruhige Bucht, Meeresrauschen, über mir der Sternenhimmel. Heute früh hab’
ich den Sonnenaufgang über der See miterlebt.
Wir liegen den ganzen Tag faul in der Sonne herum,
Schlauch ist platt. Morgen fahren wir weiter nach AEROPOLIS.
Freitag, 2. September
Die Fahrt nach AEROPOLIS zu den PIRGOS DIROU - Höhlen
wird zum Abenteuer. An der Küste entlang, vorbei an malerischen Felsbuchten
und durch originelle Fischerdörfer. In LIVADI schließlich geht die Straße
von der Küste weg ins Landesinnere und hinauf in das PARNON-GEBIRGE. Wir
fahren die teils in Schotter und Steine übergehende Serpentinen-Bergstraße
im Schneckentempo von Meereshöhe auf 1150 m. Die Landschaft, die sich uns
auftut, ist unbeschreiblich. Dicht bewaldete Berghänge, durchzogen von
Schluchten aus schönem steilen Fels und in einer Wand hängend, ein Kloster.
Ich muß an METEORA denken! Nie vorher habe ich eine solch bezaubernde
Landschaft gesehen, eine Landschaft, die ihre Jungfräulichkeit noch bewahrt
hat und die sich der Eingriffe von außen auf ihre Art erwehrt: An vielen
Stellen sind große Schlaglöcher von Felsstürzen auf der Straße,
stellenweise ist sie ganz weggerissen.
Wir erreichen nach einer erneuten Hitzeetappe die
Grotten von PIRGOS DIROU, gleichzeitig den südlichsten Punkt unserer Reise.
Unten auf Meereshöhe erstreckt sich die Tropfstein-Grotte, zum größten Teil
unter Wasser in den Berg. Wir werden in einem kleinen Holzboot in eine Märchenwelt
gebracht, weg von Geschrei und Licht, ins spärlich beleuchtete Dunkel. Wie
eine Welt der Zwerge und Kobolde erscheint sie mir, übersät mit
Tropfsteinen, verwinkelt, geheimnisvoll und scheinbar unendlich. Während der
ca. 20-minütigen Fahrt kommen wir durch enge Gewölbe, Kristallsäle und natürliche
Säulenhallen. Es ist, bis auf das dezente leise Plätschern des Bootes,
absolut still in der Höhle. Fast meint man, man könne die Zwerge und
Erdgnome hinter den Tropfsteinen blinzeln sehen. Wieder einmal wird mir die
unbegreifliche und niemals faßbare Schönheit der Natur bewußt, und wie
viele Orte vorher, werde ich auch diesen noch lange in meiner Erinnerung
behalten.
Gegen Abend erreichen wir den Campingplatz AVIA kurz
vor KALAMATA. Wir werden mit einem kühlen Bier begrüßt. Prost !!
Samstag, 3. September
Glühende HItze am Strand von AVIA, wir schwitzen um
die Wette.
Sonntag, 4. September
Bereits um 7:45 Uhr brechen wir auf, denn wir haben
einen langen Tag vor uns. Erste Station ist OLYMPIA. Eine schöne antike Stätte,
einstmals Standort eines der Weltwunder (Zeusstatue von Olympia) und
Austragungsort der danach benannten Olympischen Spiele, welche um 776 v. Chr.
bis ins Jahr 393 dort stattfanden. Interessant ist, daß auch bereits damals
der Sportsgeist und der eigentliche Zweck der Spiele nach und nach
unterwandert wurden. Ursprünglich veranstaltet als lokale Leichenfeiern zu
Ehren des Pelops (daher hat der Peloponnes seinen Namen!), trat der kultische
und heilige Charakter der Spiele immer mehr in den Hintergrund, so daß sie
zuletzt von Berufsathleten bestritten wurden. Die Ausgrabung von OLYMPIA durch
deutsche Archäologen (1875) hatte zufolge, daß durch Baron Pierre de
Coubertin 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit wieder aufgenommen
wurden.
Weiter geht’s nach PATRAS und von dort aus mit der Fähre
zurück auf’s griechische Festland. Gegen 6 Uhr erreichen wir die kleine
Insel LEVKADA (Levkas), wo wir tatsächlich Chris und Anja wiedertreffen.
Wir sind hier auf einem einsamen Sandstrand in einer
breiten Felsbucht an der Westküste von LEVKADA. Wir schlafen wild am Strand.
Ein kleiner Imbisswagen versorgt uns mit Essen, Trinken, einer Toilette und
sogar einer Dusche. Es herrscht, vom Meeresrauschen einmal abgesehen, totale
Ruhe. Am Abend sind Thomsen und ich zusammen mit Steffen (aus Aalen) trotz gefährlicher
See zu einem Felsen geschwommen, um ins Wasser zu springen. Durch den starken
Wellengang und die Strömung hatten wir allerdings beim Aufsteigen Probleme,
wurden von der Welle erfasst und seitlich an den Felsen geschleudert. Während
Thomsen sich leicht verletzte, konnte ich mich mit einer Hand gerade noch
festhalten und mich dann mühsam am glitschigen Stein hochziehen. Gott sei
Dank ging alles gut. War zwar abenteuerlich, aber auch ein bißchen
leichtsinnig.
Montag, 5. September - Mittwoch, 7. September
Strandleben und Erholung auf LEVKADA. Wir sind nochmal
in abenteuerlicher Weise auf die Felsen geklettert und haben ein paar Fotos
geschossen. Das Klippenspringen (7-8 m) in das schöne, klare Wasser war echt
ein tolles Erlebnis. Wir haben Dienstag Abend ein Feuer am Strand gemacht,
gegrillt und Gitarre gespielt, zusammen mit Chris, Anja und Werner und
Christine aus Nürnberg. Am Mittwoch dann war starker Wind, der die Wellen am
Strand bis zu 5 (!) m auftürmte. wir haben die Gelegenheit benutzt, um in der
Brandung zu baden. Seit meiner Zeit, die ich am Meer verbracht habe, war das
die mit Abstand größte Brandung. Am höchsten Punkt der Flut sind die Wellen
sogar über die etwa 10 m hohen Klippen geschlagen. Das sah dann aus wie ein
Feuerwerk, so hoch spritzte die Gischt. Ein tolles Naturschauspiel, allerdings
zum Schluß lebensgefährlich. Offensichtlich ist auch jemand vom Strand
ertrunken, denn abends kam noch die Polizei und Donnerstag trugen mehrere
Retter eine Person (?) von den Felsen herunter zusammen mit der Polizei. Da
das ganze sich etwa 200 m von uns entfernt abgespielt hat, wissen wir nichts
genaues.
Donnerstag, 8. September
Wir verbringen den Morgen am Strand und werden am späten
Nachmittag, nach einem kurzen Levkas-Bummel, nach IGOUMENITSA aufbrechen.
Freitag, 9. September
Wir haben am Vorabend IGOUMENITSA gut erreicht und
einen Schlafplatz in der Nähe der Anlegestelle gefunden. Pünktlich um 7:15
Uhr legten wir dann ab, wobei die Zollkontrolle und das Verladen des Busses
schnell und reibungslos vor sich ging. Bei ruhiger See und heißer Sonne
konnten wir noch einmal so richtig Bräune tanken. Unser Schiff, die IONIAN
GALAXY, das Flaggschiff der Strinzis Lines, ließ es an Komfort nicht fehlen,
so daß wir uns die ganze Überfahrt, über Korfu, vorbei an der albanischen Küste
und dann über’s Meer, in besten Händen befanden.
Geschlafen haben wir an Deck, nach einem grandiosen
Sonnenuntergang auf See, einigermaßen windgeschützt im Schlafsack auf dem
Boden. Ich habe trotzdem gut geschlafen und bin morgens gerade rechtzeitig
aufgewacht, um den ebenfalls eindrucksvollen Sonnenaufgang mitzuerleben.
Samstag, 10. September
Die Fähre hat ANCONA pünktlich erreicht. Um 8:35 Uhr
befahren wir mit unserem Bus das italienische Festland. Unsere Fahrt geht ohne
Unterbrechung nach CAVALLINO weiter, wo wir um 14:30 Uhr ankommen.
Unser Vater hat es offensichtlich geahnt, daß wir
kommen, denn er ist uns schon entgegengekommen. Ich denke, die Begrüßung
braucht nicht beschrieben zu werden, denn jeder hat sich gefreut und war
erleichtert, den anderen wohlbehalten wieder zu sehen.
Zu unserer angenehmen Verwunderung ist der
Campingplatz sehr stark überholt worden. Neue Wasch- und Duschanlagen von höchstem
Komfort. Ich fühle mich hier eben doch wie zu Hause, und jedes Jahr wird’s
schöner.
Epilog
Wir erreichen am Freitag, dem 16. September um 21:45
Uhr glücklich und wohlbehalten unsere Heimat wieder. Sechs Wochen Urlaub,
Abenteuer, fremde Länder und Menschen, versunkene Kulturen liegen hinter uns.
Ich bin ausgezogen, um Ruhe und Konzentration, Kultur und Glaube, die Schönheit
der Natur und der Menschenkunst zu suchen und ich habe es gefunden.
Dem lieben Gott danke ich dafür, daß diese Reise,
trotz vieler Gefahren, unter einem guten Stern gestanden hat und daß wir alle
wieder gesund und mit heiler Haut heute hier stehen. Und ich danke ihm auch
dafür, daß er mir die Schönheit der Welt und der Schöpfung vor Augen geführt
hat. Würden all die Menschen auf der großen weiten Welt Augen für diese
Wunder haben, wir würden in einer besseren Zeit, als der heutigen leben.
Ich werde diese sechs Wochen nie in meinem Leben
vergessen.
Jürgen Schaller
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