Die Lautlose Suche

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  Tagebücher 

Von KAVALA nach CAVALLINO...(...von Philippi nach Olympia...)

Ein Reisetagebuch

Sonntag, 7. August

Gestern sind wir hier in KAVALA dem Haupthafen von Ostmakedonien an der griechischen Küste angekommen. Nach der turbulenten und anstrengenden 36-Stunden-Fahrt durch Deutschland, Österreich, Jugoslawien und Griechenland war die erste Nacht auf dem Campingplatz IRINI das richtige Balsam für uns und unsere Nerven.

Nach der Panne mit der Passverlängerung kam die Sache mit der, von mir vergessenen, Versicherungskarte und die bedrückende unfreundliche Fahrt durch Jugoslawien noch als Tropfen dazu, die unser Stimmungsgefäß gleich am Urlaubsanfang zum Überlaufen zu bringen drohten.

Nun sitze ich hier am Sandstrand und blicke auf’s Meer. Auf den ersten Blick sieht sie auch nicht anders aus die griechische See, als die italienische. Dunkelblau mit kurzen Wellen und ein Wind, der nach den paar Wolken des Vormittags nun auch den Sand wegblasen will und der den Meeresgrund aufwühlt und das Wasser undurchschaubar werden läßt.

Linkerhand ist der Strand begrenzt durch eine Felsklippe. Es ist ein schöner Blick auf die zerklüfteten Steine und wenn man über sie drüberklettert, so blickt man bereits in die nächste Bucht, steinig und menschenleer.

Ich lasse mir den Seewind um die Nase wehen, genieße dessen erfrischende Wirkung von der drückenden Sonne und lese einige Schriften von Hermann Hesse, mein erster zaghafter Versuch, meinen blockierten und abgestumpften Geist mit einem Gedanken zu füttern.

Nach zwei Seiten höre ich auf zu lesen, habe soviel Gehalt und Hintergrund geschluckt, daß ich die Gedanken langsam verdauen muß. Ich schaue auf. Neben mir im Sand, der etwas schwerer und grobkörniger als in Italien ist, liegt Joe und liest Bukowski, daneben Thomsen mit der ADAC-Zeitschrift.

Mein Blick geht weiter über die kleine Camping-Bucht bis zur imposanten Kulisse von KAVALA, welches sich rechts von mir ruhig und fast verträumt (immerhin ist es eine 60.000 Einwohnerstadt) präsentiert. So als ob sie vom Himmel ausgeschüttet wurden liegen die kleinen Häuser dicht an dicht am Ufer und ziehen sich bis hinauf auf die Hügel, die sich direkt aus dem Meer erheben. Bei Nacht ergibt das einen beeindruckenden Anblick über die Bucht auf tausend kleine Lichter, die sich vom Himmel bis ins Wasser hinziehen.

Es ist historischer Boden, auf dem wir da sitzen, der Ort, an dem der Apostel Paulus erstmals europäischen Boden betreten hat, im Zuge seiner zweiten Missionsreise im Jahre 50-51. Im 15 km entfernten PHILIPPI gründete er die erste christliche Gemeinde Europas.

Bekannter ist dieser Ort aber wohl durch die Schlacht im Jahre 42 v. Chr., in der Oktavian (der spätere Augustus) und Antonius die beiden Caesarmörder Brutus und Cassius schlugen, deren Flottenstützpunkt KAVALA war.

Montag, 8. August

Wir haben uns heute morgen die Anlagen und Überreste von PHILIPPI angesehen. Obwohl es für mich das erste Mal war, antike Bauwerke in Wirklichkeit zu sehen und obwohl ich um die Geschichte dieses Ortes wusste, konnte ich mich nicht richtig in die Aura dieser Stätte einfühlen.

Es ist sehr heiß, ich sitze im Schatten und lese Hermann Hesse. Langsam scheint sich mein Geist zu beruhigen und die gemütliche und behäbige griechische Lebensweise setzt sich in mir, wohl auch aufgrund des heißen Wetters, fest.

Dienstag, 9. August

Die Hitze und das Nichtstun macht uns fertig. Joe hat schon seit dem Morgen mit Übelkeit und Durchfall (ja es ist wohl Montezuma’s Rache) zu kämpfen. Thomsen hat sich den Fuß beim Schwimmen aufgeschnitten. Die Zeit will und will nicht vergehen. Endlich sinkt die Sonne, bringt kühlende Erleichterung und Schatten. Hoffentlich kommt morgen Danny’s Brief, damit wir abhauen können.

Mittwoch, 10. August

Wie absurd ist doch unsere Lage. Flüchtig vor allen Zwängen, flüchtig vor allen Zeitpflichten, flüchtig vor allen Reglements und Engstirnigkeiten unseres täglichen Lebens, auf der Suche nach Ruhe, nach Klarheit, sitzen wir und zerkauen mühsam Tag für Tag, zerreißen Stunde um Stunde, verbringen Zeit, um auf ein Stück Papier zu warten, welches uns die Enge unserer zivilisierten Welt nur zu deutlich vor Augen führt.

Joe ist wieder gesund. Wir haben uns entschlossen, ISTANBUL vorläufig von der Reiseroute zu streichen. Wenn das Papier heute kommt, fahren wir morgen direkt nach CANAKKALE - TROJA und dann weiter nach Bodrum. Bleibt uns die Zeit, so versuchen wir, auf dem Rückweg nach ISTANBUL zu fahren.

Donnerstag, 11. August

Das Papier ist gestern Mittag gekommen und so sind wir heute pünktlich um 7:45 Uhr von Kavala abgefahren. Die Fahrt und auch der Grenzübergang in die Türkei verliefen problemlos, so daß wir uns spontan dafür entschieden haben, doch nach ISTANBUL zu fahren. Mir gefällt das Klima und die Atmosphäre hier in der Türkei sehr gut und ich fühle mich echt wohl.

Um 15:45 Uhr sind wir hier am Campingplatz Yesilyurt kurz vor ISTANBUL direkt am Bosborus angekommen. Vor uns am Horizont sehen wir links die Stadt und über das Wasser kann man Asien schauen. Ein besonderes Gefühl, wenn man weiß, daß man hier am Ende von Europa sitzt und morgen über eine Brücke einen anderen Erdteil betreten wird.

Wegen der Zeitnot durch unseren Zwangsaufenthalt wollen wir nur Morgen ISTANBUL anschauen und dann sofort weiter Richtung BODRUM fahren.

Freitag, 12. August

Wir sind heute mit dem Linienbus nach ISTANBUL gefahren. Es ist sehr schwer, eine Beschreibung dieser Riesenstadt zu geben, so vielschichtig und verschieden sind die Eindrücke. Die herrlichen Paläste und Moscheen aus 1001 Nacht, vom Tourismus überschwemmt und vergewaltigt, auf der einen Seite und zum Teil erschreckende Armut auf der anderen Seite. Menschen, alt und ausgelaugt, schleppen schwere Lasten, verkaufen ihre Muskelkraft um sich den Lebensunterhalt zu verdienen. Ihre Gesichter sprechen mehr, als jeder Reiseführer jemals vermitteln kann, und fast komme ich mir schäbig vor, als gutgekleideter Tourist, der wahrscheinlich mehr Geld in der Tasche hat, als solch ein Träger in drei Monaten verdient.

Die Kinder wachsen mit dieser Situation auf und haben gelernt, damit umzugehen. Ob es nun Schuhputzer, Wasserverkäufer oder Postkarten- und Flötenhändler sind, in manchen Fällen benötigt man viel Sprachgewandheit, um sie abzuwimmeln.

Sie gefällt mir trotzdem diese Stadt, ich hab den ganzen Tag für insgesamt 4.- DM gegessen und getrunken und bin für -.80 Pf von Yesilyurt nach ISTANBUL und wieder zurück gefahren. Das sind einfach immerhin 15 km.

Samstag, 13. August

Wir brechen morgens um 9:15 Uhr vom Campingplatz in Richtung Bosborus -> Asien auf. Nach ungefähr 30 min Fahrzeit durch ISTANBUL erreichen wir das Brückenmonument, welches gewaltig und imposant Europa mit Asien verbindet. Von einer leichten Anhöhe herunter fahren wir auf die Brücke, verlassen zum ersten Mal Europa. Rechts unterhalb windet sich der Bosborus wie ein blaues Band zwischen den Landmassen, trennt die Kontinente, die Kulturen und die Stadt, deren einzigartige Lage ihr sowohl zum Vorteil als auch zum Nachteil gereichten.

Byzanz, Konstantinopel, Istanbul, Brücke zum Orient, Nadelöhr zwischen den Meeren, einst wohlhabend und mächtig, erobert, gebrandschatzt, geplündert und trotzdem noch schön.

Auf Wiedersehen, Güle Güle Istanbul, ich denke, wir werden uns noch einmal sehen.

Die Fahrt durch Asien wird zur Tortur. 600 km in sengender Hitze. Unser Bus fährt wie der Teufel, zieht seine Bahn durch ein Land, das so schön ist, daß ich es nicht beschreiben kann. Herrliche Landschaften, eine Mischung aus Karl May und 1001 Nacht, doch uns bleibt keine Zeit, um zu schauen. Wir halten nur kurz um zu Tanken und um etwas zu Essen. Ein Gericht mit Nachtisch, Brot und Getränken kostet 11.- DM, zu dritt wohlgemerkt!! Die Leute sind sehr zuvorkommend und freundlich.

Nach 11 Std haben wir’s endlich geschafft, wir haben IZMIR an der ägäischen Küste erreicht. Wir fallen tot ins Bett, auf einem Campingplatz, der gerade zum Übernachten gut genug ist.

Sonntag, 14. August

In aller Frühe geht’s weiter nach MILAS, der früheren Haupstadt des unabhängigen Königreiches Karien (Mylasa). Wir haben uns auf der Fahrt entschlossen, BODRUM nicht anzufahren, da es mittlerweile zur touristischen Hochburg degeneriert ist und von der uns wichtigen Sehenswürdigkeit, dem Grabmal des Mausolos von Halikarnassos, nicht mehr viel zu sehen ist. Somit ist Milas der südlichste Punkt unseres Türkeiaufenthalts. Wir besichtigen das Mausoleum Gümüskesen, ein Grabmal aus dem 2. Jahrhundert welches eine verkleinerte Kopie des Vorbildes aus Halikarnassos ist. Etwa 14 km von Milas auf einem Berg liegt das Zeus-Heiligtum von Labranda, einer antiken Kult- und Wohnstätte der karischen Könige Mausolos und Idrieus. Die gut befahrbare Bergstraße ( so der Reiseführer) entpuppt sich nach 6 km als holprige Schotter- und Steinpiste, so daß wir etwa 30 min im Schrittempo in der glühenden Hitze fahren müssen. Oben angekommen treffen wir auf eine Gruppe türkischer Arbeiter, die uns freundlich begrüßen und uns Quellwasser zum Trinken geben. Den darauffolgenden Aufstieg zum Heiligtum und die etwas improvisierte Führung durch einen türkischen Bauern nehme ich fast wie in Trance wahr, so fertig bin ich von der Hitze. Die Sicht von oben ins Tal ist unbeschreiblich, sie gibt dieser Anlage einen weihevollen und heiligen Charakter. Nach der ebenso mühevollen Abfahrt schauen wir uns noch den Zeus-Tempel von EUROMOS an. Er liegt zwischen Bäumen sehr romantisch gleich neben der Straße.

Die folgende Fahrt zum BAFA-SEE verbringe ich fast ohnmächtig im Wohnraum des Busses. Ich bin kurz vor’m Hitzeschlag.

Montag, 15. August

Wir erholen uns heute von den beiden letzten Tagen und werden erst Morgen weiter nach KUSADASI (SELCUK) fahren.

Dienstag, 16. August

Auf unserem Weg nach KUSDADASI besichtigen wir drei wichtige und berühmte Sehenswürdigkeiten: Das Apollo-Heiligtum von DIDYMA. Es bildete mit DELPHI und Klaros die wichtigsten Orakelstätten der Antike. Der Tempel des Apoll, in welchem sich das Orakel befand, war der größte der antiken Tempel des griechischen Reiches( 118 x 60 m). Er war neben dem Artemis-Tempel in EPHESUS (einem der Weltwunder) der bedeutendste religiöse Ort seiner Zeit. Heute ist zwar der doppelte umgebende Säulenring (Dipteros!) bis auf drei Säulen von Erdbeben zerstört (ursprünglich 128 Säulen), aber dennoch stellt er sich dem Besucher als imposantes, gewaltiges Bauwerk dar, dessen Heiligkeit irgendwie zu spüren ist.

Auch von der einstmals mächtigsten Stadt Ioniens, MILET, sind noch gut erhaltene Überreste vorhanden. Besonders das antike Theater, dieser ehemaligen Metropole des Mäandertales, ist sehenswert.

Die ungünstige Verteilung der Campingplätze in diesem Landstrich machte es für uns notwendig, an diesem Tag auch noch eine dritte antike Stätte zu besichtigen, PRIENE. Im Zustand völliger Erschöpfung durch die unbarmherzige Hitze, haben wir diese Stadt im Schnelldurchlauf besucht und nur den Tempel der Athene und das Theater begutachtet.

Ein bißchen schade ist es schon, daß auf diese Weise einige der Kunstwerke nur so abgehakt werden. Aber die Hitze und unser dichtgepacktes Programm lassen uns kaum eine andere Wahl.

Gelandet sind wir nun in KUSADASI, einem Ort, der anscheinend eine touristische Hochburg ist: Horrende Preise, viele Leute. So werden wir unseren Aufenthalt auf eine Nacht beschränken und dann Morgen weiterfahren.

Mittwoch, 17. August

Wir haben am Vorabend Chris und Anja aus München kennengelernt und uns entschlossen, diesem Tag gemeinsam faul am Strand zu verbringen.

Donnerstag, 18. August

EPHESUS ! Vorletzte Station unserer türkischen Antiktour. So viele wichtige Orte und Schauplätze in dieser Stadt, daß man kaum herumkommt. Der Zustand der Bauwerke ist nach verschiedenen Restaurationsmaßnahmen zum Teil recht gut, so die Celsus-Bibliothek und das antike Theater. Unverständlich für mich ist allerdings, daß fehlende Steine oder Stufen alter Tempel oder Gebäude mit Beton ausgegossen werden. Das stellt sich mir als entarteter Anblick dar, der touristische Hintergründe hat, zumal uns nach ca. 1 Stunde die Reisegruppen fast erdrücken und der Parkplatz übersät ist mit "Lacoste-Händlern" und Souvenirläden.

Der Artemis-Tempel, eines der sieben Weltwunder, ist nur mehr ein Haufen wirrer Trümmer und ich kann mir die einstmals besondere Aura dieses Ortes nicht vorstellen. Wie schade !

Unsere Tour endet mit der Besichtigung der Johannes-Basilika. Der Sage nach soll der Evangelist Johannes lange Jahre, bis zu seinem Tod, hier gelebt haben. In der Basilika befindet sich auch das Grabmal. Es ist allerdings nicht erwiesen, ob dort nun wirklich der Apostel Johannes beigesetzt ist, oder ein anderer Johannes, welcher ungefähr 200 Jahre später hier gelebt hat.

Erst auf der Weiterfahrt habe ich im Reiseführer entdeckt, daß auch das Haus der Jungfrau Maria, ein christlicher Wallfahrtsort, in EPHESUS zu sehen ist. Es gibt einige Anhaltspunkte dafür, daß sie die letzten Jahre ihres Lebens hier verbracht hat und vielleicht auch hier begraben ist. Leider haben wir diese Stätte verpasst.

Wir erreichen um 16:30 Uhr einen schönen ruhigen Campingplatz bei ÖREN (BURHANIYE) und werden hier vier Tage bleiben.

Freitag 19. August - Sonntag 21. August

Wir erholen uns am Strand von ÖREN.

 

Montag, 22. August

Fahrt nach ASSOS ! Etwa 20 km von der Hauptstraße weg, über eine holprige, schmale Serpentinenpiste, liegt ASSOS direkt am Meer. Wir steigen auf die Akropolis über dem Dorf BEHRAM-KALE, zu den Überresten eines Athene-Tempels. Obwohl von diesem nicht mehr viel zu sehen ist, ist es für mich ein grandioses Erlebnis.

Der Blick von oben auf’s Meer und auf die Insel LESBOS. Mir wird im gleichen Augenblick klar, daß man keinen besseren Ort für einen Tempel finden könnte. Ein leichter Dunst liegt über dem Meer und gibt der ganzen Situation eine weihevolle Atmosphäre, die nur von den paar lärmenden Touristen um uns gestört wird.

Zweite Station an diesem Tag ist TROJA, die sagenhafte Stadt der Homer’schen Ilias, von Heinrich Schliemann entdeckt und ausgegraben. Der Nachbau des trojanischen Pferdes ist teils originell und teils kitschig. TROJA selber, welches in 14 verschiedene Besiedlungsschichten aufgeteilt ist, zeigt sich uns als Haufen von Mauern und Trümmern. Eine gute Atmosphäre zwar, doch angesichts der Hitze setzen wir unsere Fahrt bald Richtung CANAKKALE fort.

Dienstag, 23. August

Wir haben heute auf dem kleinen Campingplatz "Dardanel" kurz vor CANAKKALE übernachtet. In aller Frühe um 6:50 Uhr gings dann zur Fähre und wieder zurück auf’s europäische Festland. Wir fahren durch die Hitze bis zum Abend und erreichen schließlich THESSALONIKI, unsere Zwischenstation.

Mittwoch, 24. August

Wir fahren weiter ins Landesinnere, durch das TEMPE-TAL bis zur Ortschaft KALAMBAKA, am Fuße der METEORA-KLÖSTER. Am Nachmittag muß Joe wieder einmal der Hitze Tribut zollen, ihm ist schlecht und er bekommt Fieber.

Donnerstag, 25. August

Joe ist immer noch schwach auf der Brust und so gehe ich mit Thomsen allein auf Besichtigungstour, während er im Bus schläft.

Wir sind beeindruckt von der einmaligen Kulisse, die sich uns bietet. So als ob sie jemand einfach hingesteckt hätte, erheben sich die Meteora-Felsen plötzlich und aprupt aus der Ebene, fremd und eigenartig stehen sie in der Landschaft und unterscheiden sich von dieser, so wie sich das Leben in ihren Klöstern von der Welt unterscheidet. Die Fahrt nach oben geht direkt in den Himmel. Wir erleben ein Naturereignis, welches kaum in Worte zu fassen ist. Hier in der (einst) absoluten Stille dieser Berge, wurden von Menschenhand Orte geschaffen, die gleichsam zwischen Himmel und Erde schweben, als Verbindungsglied der Menschen zu Gott:

Die METEORA-KLÖSTER !!

Und dieses Bewußtsein, diese Sphäre macht sich in mir breit, als wir zu dem Kloster Roussanou den steilen Pfad hinaufsteigen. Sprachlos, tief beeindruckt und zugleich tief bedrückt sind wir angesichts dieses heiligen Ortes. Beeindruckt von der Umgebung, der Schönheit und der sakralen Aura des Klosters, bin ich nicht im Stande ein Wort zu sprechen, ja es gelingt mir nicht einmal, richtig zu beten. Viel zu plötzlich stürmt all diese Herrlichkeit auf mich ein und ich bräuchte Zeit und mehr Ruhe, diese zu genießen. Doch auch ein anderer Umstand hindert mich an der Ruhe, die touristische Vergewaltigung und Entweihung dieser Berge und das bedrückt uns beide, Thomsen und mich.

Als wir später allein auf den Gipfel eines Berges steigen, um uns der Aussicht hinzugeben, hören wir in der Ferne Lastwagen und Reisebusse fahren und den Lärm eines Tieffliegers. Die Welt greift nach der Heiligkeit und Würde dieses Ortes, wie nach einer reifen Frucht und hält ihn im Würgegriff, welcher immer enger wird. Es mag auf der ganzen Welt keinen besseren und geeigneteren Platz für ein Kloster geben, als eben hier: Inmitten eines Wunders der Schöpfung ebendiese und ihren Schöpfer zu preisen und ihm in der Ruhe dieser Bergwelt zu dienen.

Der ständig wachsende Andrang von Besuchern (schließlich sind auch wir welche !) und die zunehmende Vermarktung werden früher oder später das Ende dieser Oase des Glaubens und des Friedens bedeuten. Wie traurig und schade !

Wir haben uns beide aus diesen Gründen entschlossen, kein weiteres Kloster zu besichtigen. So fahren wir weiter und behalten die Berge und Klöster von METEORA als heiligen Ort in Erinnerung, der uns noch lange in unseren Gedanken beschäftigen wird.

Unsere Reise geht weiter auf die stille und ruhige Halbinsel PILION, wo wir ein oder zwei Tage ausspannen werden, um dann nach DELPHI und ATHEN weiter zu fahren.

Freitag, 26. August

Nach einem gemütlichen Frühstück fahren wir zur Ostküste des PILION, um den Tag in einer einsamen Bucht zu verbringen. Nach einer abenteuerlichen Fahrt über endlose Serpentinen und eine nicht-enden-wollende Schotterstraße erreichen wir die Bucht. Sie ist zwar nicht einsam (5 Autos stehen bereits da), aber abgelegen und genauso, wie man sich eine griechische Bucht vorstellt: Klein, von Felsen umrandet, türkisblau, klares Wasser. Wir schnorcheln den ganzen Tag, oder klettern auf den Felsen herum. Die Abrundung dieses schönen Urlaubstages bildet das Abendessen in einem abgelegenen ruhigen Dorf.

Samstag, 27. August

Wir sind gemütlich nach DELPHI gefahren und verbringen den Tag faul in der Sonne.

Sonntag, 28. August

DELPHI, der Nabel der Welt ! Der Sage nach ist DELPHI der Ort, an dem sich die beiden Adler, die Zeus vom Ende der Welt aufsteigen ließ, trafen. Sein Orakel war mit das einflußreichste der Antike, viele seiner Orakelsprüche sind uns bis heute überliefert, so z.B. der Sieg der Athener über die Perser bei der Schlacht von SALAMIS. Wie sehr dieser heilige Ort von den damaligen Völkern und Stämmen geschätzt und verehrt wurde, zeigt die heilige Straße hinauf zum Tempel des Apollon, der eigenlichen Orakelstätte. Zu beiden Seiten stehen Schatzhäuser der einzelnen Stämme, die aus Dank für die Weissagungen reiche Schätze enthielten.

Vom Tempel des Apollon, der auf einer Anhöhe liegt, hat man einen sehr schönen Blick ins Tal. Wir besichtigen noch die kastalische (heilige) Quelle und den Tempel der Athene, bevor uns der auch hier sehr ausgeprägte und entweihende Tourismus wieder vertreibt.

Wir fahren weiter nach ATHEN.

Jürgen’s Zug hat zwei Stunden Verspätung und kommt erst um 0:30 Uhr an. Durch einen Streik der Taxi-Fahrer gibt es etwas Probleme, zum Campingplatz zu kommen und zu allem Überfluß vergißt Thomas seine Tasche mit seinem Autoschlüssel im Taxi. Er ist mit Joe zwar noch einmal zurückgefahren, hat die Tasche aber nicht mehr auftreiben können. Um 3 Uhr gehen wir alle recht entnervt und kaputt schlafen.

Montag, 29. August

Quer durch ATHEN fahren wir an die Südspitze des griechischen Festlandes, nach CAP SOUNION. Dort steht der Tempel des Poseidon, etwa 80 m hoch auf einer Klippe direkt über dem Meer. Es ist ein Blick auf die griechische See, der sich nicht in Worte fassen läßt. Sicherlich gibt es keinen besseren oder günstigeren Platz für einen Tempel, der dem Gott des Meeres geweiht ist. Die Szenerie trifft mich voll und ich genieße diesen Augenblick in vollen Zügen. Es erscheint mir wie eine gelungene Ovation an die Schöpfung, der Poseidon-Tempel hoch über dem Meer und ich glaube, es sind vor allem solche Eindrücke, die diese Reise für mich zu einem unvergeßlichen Ereignis werden lassen.

Es geht weiter, wieder zurück über PIRÄUS und ATHEN nach KORINTH. Über die Straße von Korinth erreichen wir den Peloponnes und machen Station auf einem kleinen Campingplatz hinter der Stadt am Golf von Korinth.

Dienstag, 30. August

Nachdem wir etwas spät aufgestanden sind, fahren wir erst morgen weiter. Wir nutzen die Gelegenheit zum Geldwechsel und kaufen unsere Tickets für die Autofähre nach ANCONA und liegen nun faul am Strand.

Mittwoch, 31. August

Wir schauen uns die Straße von Korinth an, einen 23 m breiten und 80 m tiefen Kanal, der Ende des 19. Jahrhunderts gegraben wurde, um eine Seeverbindung zwischen dem Golf von Korinth und dem Saronischen Golf herzustellen. Seit dieser Zeit ist der Peloponnes eine "Insel".

Weiterfahrt nach EPIDAURUS, dem wohl berühmtesten Amphitheater mit seiner einzigartigen Akustik. Man hört auf der obersten Sitzreihe noch, wenn in der Arena eine Münze zu Boden fällt.

So langsam merke ich, wie mir die viele Fahrerei und die Besichtigungen zuviel werden. Wir haben daher ALT-KORINTH, MYKENE und NAFPLION von der Route gestrichen und sind etwa 30 km unterhalb von NAFPLION auf einem ruhigen Campingplatz abgestiegen. Wir werden 2 Tage hier bleiben.

Donnerstag, 1. September

Ich habe heute Nacht am Strand geschlafen. Vor mir die ruhige Bucht, Meeresrauschen, über mir der Sternenhimmel. Heute früh hab’ ich den Sonnenaufgang über der See miterlebt.

Wir liegen den ganzen Tag faul in der Sonne herum, Schlauch ist platt. Morgen fahren wir weiter nach AEROPOLIS.

Freitag, 2. September

Die Fahrt nach AEROPOLIS zu den PIRGOS DIROU - Höhlen wird zum Abenteuer. An der Küste entlang, vorbei an malerischen Felsbuchten und durch originelle Fischerdörfer. In LIVADI schließlich geht die Straße von der Küste weg ins Landesinnere und hinauf in das PARNON-GEBIRGE. Wir fahren die teils in Schotter und Steine übergehende Serpentinen-Bergstraße im Schneckentempo von Meereshöhe auf 1150 m. Die Landschaft, die sich uns auftut, ist unbeschreiblich. Dicht bewaldete Berghänge, durchzogen von Schluchten aus schönem steilen Fels und in einer Wand hängend, ein Kloster. Ich muß an METEORA denken! Nie vorher habe ich eine solch bezaubernde Landschaft gesehen, eine Landschaft, die ihre Jungfräulichkeit noch bewahrt hat und die sich der Eingriffe von außen auf ihre Art erwehrt: An vielen Stellen sind große Schlaglöcher von Felsstürzen auf der Straße, stellenweise ist sie ganz weggerissen.

Wir erreichen nach einer erneuten Hitzeetappe die Grotten von PIRGOS DIROU, gleichzeitig den südlichsten Punkt unserer Reise. Unten auf Meereshöhe erstreckt sich die Tropfstein-Grotte, zum größten Teil unter Wasser in den Berg. Wir werden in einem kleinen Holzboot in eine Märchenwelt gebracht, weg von Geschrei und Licht, ins spärlich beleuchtete Dunkel. Wie eine Welt der Zwerge und Kobolde erscheint sie mir, übersät mit Tropfsteinen, verwinkelt, geheimnisvoll und scheinbar unendlich. Während der ca. 20-minütigen Fahrt kommen wir durch enge Gewölbe, Kristallsäle und natürliche Säulenhallen. Es ist, bis auf das dezente leise Plätschern des Bootes, absolut still in der Höhle. Fast meint man, man könne die Zwerge und Erdgnome hinter den Tropfsteinen blinzeln sehen. Wieder einmal wird mir die unbegreifliche und niemals faßbare Schönheit der Natur bewußt, und wie viele Orte vorher, werde ich auch diesen noch lange in meiner Erinnerung behalten.

Gegen Abend erreichen wir den Campingplatz AVIA kurz vor KALAMATA. Wir werden mit einem kühlen Bier begrüßt. Prost !!

Samstag, 3. September

Glühende HItze am Strand von AVIA, wir schwitzen um die Wette.

 

Sonntag, 4. September

Bereits um 7:45 Uhr brechen wir auf, denn wir haben einen langen Tag vor uns. Erste Station ist OLYMPIA. Eine schöne antike Stätte, einstmals Standort eines der Weltwunder (Zeusstatue von Olympia) und Austragungsort der danach benannten Olympischen Spiele, welche um 776 v. Chr. bis ins Jahr 393 dort stattfanden. Interessant ist, daß auch bereits damals der Sportsgeist und der eigentliche Zweck der Spiele nach und nach unterwandert wurden. Ursprünglich veranstaltet als lokale Leichenfeiern zu Ehren des Pelops (daher hat der Peloponnes seinen Namen!), trat der kultische und heilige Charakter der Spiele immer mehr in den Hintergrund, so daß sie zuletzt von Berufsathleten bestritten wurden. Die Ausgrabung von OLYMPIA durch deutsche Archäologen (1875) hatte zufolge, daß durch Baron Pierre de Coubertin 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit wieder aufgenommen wurden.

Weiter geht’s nach PATRAS und von dort aus mit der Fähre zurück auf’s griechische Festland. Gegen 6 Uhr erreichen wir die kleine Insel LEVKADA (Levkas), wo wir tatsächlich Chris und Anja wiedertreffen.

Wir sind hier auf einem einsamen Sandstrand in einer breiten Felsbucht an der Westküste von LEVKADA. Wir schlafen wild am Strand. Ein kleiner Imbisswagen versorgt uns mit Essen, Trinken, einer Toilette und sogar einer Dusche. Es herrscht, vom Meeresrauschen einmal abgesehen, totale Ruhe. Am Abend sind Thomsen und ich zusammen mit Steffen (aus Aalen) trotz gefährlicher See zu einem Felsen geschwommen, um ins Wasser zu springen. Durch den starken Wellengang und die Strömung hatten wir allerdings beim Aufsteigen Probleme, wurden von der Welle erfasst und seitlich an den Felsen geschleudert. Während Thomsen sich leicht verletzte, konnte ich mich mit einer Hand gerade noch festhalten und mich dann mühsam am glitschigen Stein hochziehen. Gott sei Dank ging alles gut. War zwar abenteuerlich, aber auch ein bißchen leichtsinnig.

Montag, 5. September - Mittwoch, 7. September

Strandleben und Erholung auf LEVKADA. Wir sind nochmal in abenteuerlicher Weise auf die Felsen geklettert und haben ein paar Fotos geschossen. Das Klippenspringen (7-8 m) in das schöne, klare Wasser war echt ein tolles Erlebnis. Wir haben Dienstag Abend ein Feuer am Strand gemacht, gegrillt und Gitarre gespielt, zusammen mit Chris, Anja und Werner und Christine aus Nürnberg. Am Mittwoch dann war starker Wind, der die Wellen am Strand bis zu 5 (!) m auftürmte. wir haben die Gelegenheit benutzt, um in der Brandung zu baden. Seit meiner Zeit, die ich am Meer verbracht habe, war das die mit Abstand größte Brandung. Am höchsten Punkt der Flut sind die Wellen sogar über die etwa 10 m hohen Klippen geschlagen. Das sah dann aus wie ein Feuerwerk, so hoch spritzte die Gischt. Ein tolles Naturschauspiel, allerdings zum Schluß lebensgefährlich. Offensichtlich ist auch jemand vom Strand ertrunken, denn abends kam noch die Polizei und Donnerstag trugen mehrere Retter eine Person (?) von den Felsen herunter zusammen mit der Polizei. Da das ganze sich etwa 200 m von uns entfernt abgespielt hat, wissen wir nichts genaues.

Donnerstag, 8. September

Wir verbringen den Morgen am Strand und werden am späten Nachmittag, nach einem kurzen Levkas-Bummel, nach IGOUMENITSA aufbrechen.

Freitag, 9. September

Wir haben am Vorabend IGOUMENITSA gut erreicht und einen Schlafplatz in der Nähe der Anlegestelle gefunden. Pünktlich um 7:15 Uhr legten wir dann ab, wobei die Zollkontrolle und das Verladen des Busses schnell und reibungslos vor sich ging. Bei ruhiger See und heißer Sonne konnten wir noch einmal so richtig Bräune tanken. Unser Schiff, die IONIAN GALAXY, das Flaggschiff der Strinzis Lines, ließ es an Komfort nicht fehlen, so daß wir uns die ganze Überfahrt, über Korfu, vorbei an der albanischen Küste und dann über’s Meer, in besten Händen befanden.

Geschlafen haben wir an Deck, nach einem grandiosen Sonnenuntergang auf See, einigermaßen windgeschützt im Schlafsack auf dem Boden. Ich habe trotzdem gut geschlafen und bin morgens gerade rechtzeitig aufgewacht, um den ebenfalls eindrucksvollen Sonnenaufgang mitzuerleben.

Samstag, 10. September

Die Fähre hat ANCONA pünktlich erreicht. Um 8:35 Uhr befahren wir mit unserem Bus das italienische Festland. Unsere Fahrt geht ohne Unterbrechung nach CAVALLINO weiter, wo wir um 14:30 Uhr ankommen.

Unser Vater hat es offensichtlich geahnt, daß wir kommen, denn er ist uns schon entgegengekommen. Ich denke, die Begrüßung braucht nicht beschrieben zu werden, denn jeder hat sich gefreut und war erleichtert, den anderen wohlbehalten wieder zu sehen.

Zu unserer angenehmen Verwunderung ist der Campingplatz sehr stark überholt worden. Neue Wasch- und Duschanlagen von höchstem Komfort. Ich fühle mich hier eben doch wie zu Hause, und jedes Jahr wird’s schöner.

Epilog

Wir erreichen am Freitag, dem 16. September um 21:45 Uhr glücklich und wohlbehalten unsere Heimat wieder. Sechs Wochen Urlaub, Abenteuer, fremde Länder und Menschen, versunkene Kulturen liegen hinter uns. Ich bin ausgezogen, um Ruhe und Konzentration, Kultur und Glaube, die Schönheit der Natur und der Menschenkunst zu suchen und ich habe es gefunden.

Dem lieben Gott danke ich dafür, daß diese Reise, trotz vieler Gefahren, unter einem guten Stern gestanden hat und daß wir alle wieder gesund und mit heiler Haut heute hier stehen. Und ich danke ihm auch dafür, daß er mir die Schönheit der Welt und der Schöpfung vor Augen geführt hat. Würden all die Menschen auf der großen weiten Welt Augen für diese Wunder haben, wir würden in einer besseren Zeit, als der heutigen leben.

Ich werde diese sechs Wochen nie in meinem Leben vergessen.

Jürgen Schaller

 Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist